Freitag, 14. Januar 2011

Zwischen den Jahren, Kapitel 2

Das „On the Road again“-Gefühl ließ lange auf sich warten.

Die erste Etappe war verhältnismäßig kurz. Es regnete ununterbrochen und so hielten wir vor Einbruch der Dunkelheit im kleinen Küstenkaff Cardwell, unmittelbar vor dem ersten kritischen Punkt der Strecke, den wir nicht nachts passieren wollten.

Laut Internetauskunft war die vor uns liegende Straßenabschnitt sowieso gesperrt und so parkten wir auf einem scheinbar fast verlassenen Campingplatz ca 200 Kilometer südlich von Cairns.

Gabriel musste mehrmals klingeln, bis der Besitzer erschien und uns freundlich einwies. Die Küche sie etwas unaufgeräumt, da gerade keine anderen Gäste da wären. Hätte mich auch gewundert – bei dem Regen.

Er gab uns den Tipp, dass der Wasserstand morgens am Niedrigsten sei, sodass dann die Straße womöglich geöffnet sein würde.

Bei Tortilla, Bratwurst und Solo, unserer australischen Lieblingslimonade, schauten wir in der verlassenen Küche zum ersten Mal seit Monaten Fernsehen. Es lief eine Weihnachtsfolge der Simpsons und wir stellten fest, dass es tatsächlich schon Heiligabend war. Doch so fühlte es sich kein bisschen an.

Wir krochen früh in unsere Betten und morgens früh wieder hinaus. Draußen war es kalt, nass und dunkel – frohe Weihnachten.

Am Weihnachtsmorgen sahen wir nichts außer grauen Himmel und leere Straßen. Mir kam es so vor, als ob wir uns still und heimlich aus dieser Gespensterstadt davon stehlen würden, in der wir tatsächlich nicht mehr als einen Menschen gesehen hatten. Aber die anderen Bewohner verrammelten sich vermutlich in ihren Häusern – bei dem anhaltenden Regen kein Wunder.


Im Auto beschlugen die Scheiben, draußen passierten wir überflutete Felder am Straßenrand. Wir hielten in Innisfail, um uns wie bereits in Cairns auf der Polizeiwache über die aktuelle Kondition des Highways zu informieren.

Dort erhielten wir die Auskunft, die Straße wäre gesperrt und Hunderte würden dort an der Straße warten. Die Polizistin riet uns, Essen für mehrere Tage mitzunehmen. Zum Abschied wünschte sie uns „viel Glück“, was aus dem Munde einer „offiziellen Auskunft“ eher beunruhigend als aufbauend wirkt.

Also kauften wir Brot und Müsliriegel sowie einen Regenschirm und machten uns auf den Weg.

Tatsächlich war die Straße aber nur an zwei kurzen Streckenabschnitten „gesperrt“. Während wir in einer Schlange von ungefähr 15 (statt 100) Autos warteten, von Polizisten dirigiert zu werden, waren wir schon ein wenig enttäuscht. Als wir nach ein paar Minuten (statt Tagen) die Straße passieren durften, waren maximal 10 bis 15 cm Wasser auf einer Länge von ca. 30 Metern. Das spritze zwar ordentlich , war ansonsten aber nicht weiter dramatisch. Da hatten wir mit mehr gerechnet.

An anderen Stellen, wo der Verkehr von der Polizei geregelt wurde, ragte das Wasser gerade mal bis an den Rand der Straße heran.

In Brisbane verfuhren wir uns ein ein-, zweimal, erreichten die Grenze zu New South Wales ohne weitere Probleme.

Ab jetzt konnten wir es etwas langsamer angehen lassen – aber das Wetter war uns immernoch nicht gut genug, um für längere Zeit zu bleiben, also fuhren wir weiter südwärts.

New South Wales' große Campingplätze sind zur Ferienzeit leider alles andere als Backpackerfreundlich und sehr teuer. Also suchten wir uns einen kleinen Campingplatz in einem Nationalpark und parkten nachts im Dunklen, wir konnten nur irgendwo das Meer rauschen hören. Am nächsten Morgen war es ungewöhnlich windig, als ich aus dem Auto kletterte. Kein Wunder, wir standen ungefähr 20 Meter von der Steilküste entfernt und vor unseren Füßen hoppelten ein paar Kängurus ganz friedlich übers Gras.

Nach zwei Übernachtungen zum Verschnaufen machten wir uns erneut auf den Weg, um eine billige Unterkunft für die nächste Nacht zu finden und fuhren in einen weiteren Nationalpark.


Dort fanden wir endlich ein kleines Paradies. Wir parkten auf einem kleinen Platz unter Palmen direkt hinter dem Strand. Abends lüfteten wir das Auto gründlich, dem die feuchte Luft nicht so gut bekommen war.

Am nächten Tag legten wir uns an den Strand und entspannten uns und lasen und badeten zum ersten Mal im Ozean.

Die nächsten vier Nächte verbrachten wir auf einem Platz mitten im Wald, der uns hervorragend gefiel, vorallem, weil wir nichts bezahlen mussten. Silvester machten wir mit Lagerfeuer und zur Feier des Tages gab es Kartoffeln und Bratwurst über dem Feuer zubereitet.

So sind wir entspannt ins neue Jahr gestartet und haben uns gefreut, vor dem schlimmen Wetter im Norden davongekommen zu sein.

Dienstag, 4. Januar 2011

Zwischen den Jahren, Kapitel 1

"Ihr seid ja immer noch hier!" rief uns Tony zur Begrüßung entgegen.Es war der Morgen vor Weihnachten. Die vorangegangenen Nächte hatte es in Strömen geregnet, bis schließlich der Campingplatz teilweise unter Wasser stand. Roy, der seltsame australische Dauercamper, hatte schmunzelnd gemeint, das sei erst der Anfang.
Die Wet Season hatte endgültig begonnen.

"Seht zu, dass ihr so schnell wie möglich Richtung Süden kommt, hier kann es zur Regenzeit richtig ungemütlich werden." warnte uns Tony. "Straßensperren, Überflutungen... das ganze Programm." Solche Nachrichten hatten wir aber schon früher gehört, ohne dass wir davon großartig etwas zu spüren bekamen, sodass ich angenommen hatte, es auch noch die nächsten zwei bis drei Wochen in Cairns auszuhalten, wie ursprünglich geplant.
Im Laufe des Tages jagten unser Chef Tony und Kollege Noel Gabriel mit Nachrichten über evakuierte Städte und Überflutungen aber immer mehr Angst ein, sodass am Nachmittag fest stand, Cairns am nächsten Tag zu verlassen und Richtung Süden aufzubrechen, solange die Straßen noch freigegeben waren.
Also verabschiedeten wir uns von Noel, Tony und Margaret, Tonys deutschstämmiger Frau, die ganz überrascht war, uns so früh gehen zu sehen. Kaum zu glauben, dass das jetzt wirklich unser letzter Arbeitstag in Cairns gewesen sein sollte.
Immerhin hatte wir sieben Wochen hier gearbeitet und besonders Margaret war uns dabei ans Herz gewachsen.

letzte große Aufgabe bei Apollo: Innenbereich Wohnwagen (6 Betten, Klo, Dusche, Kühlschrank, Spüle, Herd) reinigen, Dauer: ca 1,5 Stunden

Hippiebusse und Vorratsregale im Hintergrund, verwischte Margaret und Wäscheberge im Vordergrund

Unser liebevoll fixierter Abschiedsbrief

Genauso überrascht reagierte auch Marcel, ein deutscher Work and Traveller, der auf unserem Campingplatz wohnte. Eigentlich hatte er geplant, an Weihnachten mit uns zusammen eine Tour in den Regenwald und zum Cape Tribulation im Norden mit uns zu machen.
Ein bisschen traurig war er sicher auch, schließlich waren wir die letzten Überbleibsel der deutschen Dauercampergemeinde. Wir versprachen, ihn mit einer Abschiedsparty zu trösten.
Traurig waren wir selbst überhaupt nicht - viel eher aufgeregt, dass es endlich und so plötzlich wieder "On the Road" gehen sollte, vor allem angesichts der Tatsache, dass es durchaus ungewiss war, wie weit wir es schaffen würden. Vor uns lag das große Abenteuer.

Aber zuerst musste unser Aufenthalt in Cairns gebührend zu Ende gebracht werden, Dazu fuhren wir ein letztes Mal zu unserer pinkbeleuchteten Lieblingspizzeria und freuten uns über die Empfangsasiatin, die wie immer fragte, ob wir unseren Pizzaboden lieber "ßiiiick or ßiiiiin" haben wollten. Anschließend kauften wir einen großen Karton Bier im Spirituosenladen und setzten uns in die Camp-Küche.


Marcel schenkte uns zum Dank, dass wir ihm einen unserer Campingstühle hinterließen, eine Packung australischer Gummibärchen. Ein fairer Tausch.
Im Laufe des Abends setzten sich noch Niko und Eleonora, ein italienisches, spirituell angehauchtes Pärchen und der Australier Nathan, dessen deutsche Freundin gerade für mehrere Tage am Great Barrier Reef schnorcheln war, zu uns.
Die untergehende Sonne, der billige Wein, die Musik, die Joints und die fröhlichen Gesichter um uns herum, die gesamte Situation ließen uns entspannt, zufrieden und glücklich sein.
So saßen wir noch bis spät in die Nacht zusammen, redeten mehr über die Welt als über Gott, spielten das international bekannte Kartenspiel "Shithead", bauten Türme aus Bierdosen, bewunderten Steine und deren Bedeutung und freuten uns, dort zu sein.


Marcel, Nathan und Gabriel

Niko, Eleonora und Gabriel

Uhh. Marie und Marcel (später am Abend)



Am nächsten Morgen ging es dann daran, im Regen das Auto aufzuräumen und drei Stühle, zwei Lebensmittelboxen, einen Tisch, fünf große Zeltstangen und zwei Fahrräder zu verstauen. Gegen Mittag verabschiedeten wir uns endgültig von unseren gestrigen Partygästen sowie Bob und Roz, einem älteren Ehepaar, die den Campingplatz leiteten, tankten, kauften ein und fuhren endlich auf den Highway Richtung Süden.

[Fortsetzung folgt]